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Statt einer Einführung: Stil, der höchste Grundsatz der Palanka

Übersetzt von Marija Pervan und Ivana Perica


Unsere Erfahrung ist palankanisch.

 

Manchmal ist es gefährlich (und strafbar) so etwas der palankanischen Hochmütigkeit ins Ohr zu flüstern; und manchmal geht dieses Wort bis zum Begriff des Schicksalsträchtigen: Die Palanka ist, so sagt man, unser Schicksal, unser schlechtes Los. Es gibt keine und es kann auch keine Veränderung geben. Die Geschichte hat uns vergessen, wie in einer großen Zerstreutheit. Vergessen wie sie ist, zwischen Land und Stadt sich befindend, ist die Welt der Palanka weder Land noch Stadt. Der Geist dieser Welt befindet sich jedoch zwischen dem Stammeswesentlichen als ideal-einzigartigen und dem Weltlichen als ideal-offenen Geist. Wenn dieser Geist so von seinem üblen Schicksal spricht, spricht er von seiner Ausgenommenheit aus der Geschichte. Und auch wenn er diese Ausgenommenheit zur Verdammnis erklärt, will er sie trotzdem. Die Grundvoraussetzung des Geistes der Palanka liegt irgendwo darin begründet, dass es sich um einen von der Geschichte vergessenen Geist handelt, der dieses Los nun zu seinem Vorteil umzuwandeln versucht, indem er selbst die Geschichte vergessen (so wie auf einen groben Klotz ein grober Keil gehört) und sich durch dieses Vergessen in sich selbst verewigen wird, der Dauer treu, jenseits der Zeit. Die Zeit ist auf der anderen Seite des Berges, dort, wo das Chaos der Welt, oder das Chaos der absolut-offenen Welt beginnt.


Was auch immer man in diesem Drang zur Verschließung, zur Herausnahme aus der Zeit (wenn man, in der „Ewigkeit“, mit den Toten zusammen lebt, und wenn es keine Toten gibt, wenn sich die Welt wie in einem ewigen Tag der ewig-urelterlicher Welt befindet) sehen kann, ist es unweigerlich, dass es diese Welt der absoluten Offenheit nur im Geiste der Palanka gibt, in der Angst des Geistes vor der Welt, und dass diese Welt eine unzweifelhaft palankanische Welt ist. Es gibt keine Welt außerhalb des Geistes der Palanka. Nur dieser Geist der Palanka, der die Religion der Verschlossenheit beichtet, eine Religion, in welcher der oberste Gott dieser Gott der Einigkeit ist, und in der das Unheil der absoluten Offenheit seine antithetische, dämonische Kraft darstellt. Nur er, dieser oberste Gott der Einigkeit, kennt diese absolut-offene Welt; aber, bedeutet dies nicht, dass, wenn die Welt palankanisch ist, genauso die Palanka – weltlich ist? Wo ist die Welt des Ideal-Geschlossenen, wenn nicht ausschließlich im Geiste, der sich in seiner ursprünglichen Art dem Öffnen widersetzt, und der diesen Widerstand zu ver-dinglichen, und ihn in einer ihm perfekt ebenbildlichen Welt vorzufinden versucht? Die Welt der Palanka besteht nur im Geiste; der Geist der Palanka selbst ist die absolute Palanka, hinter der jede wirkliche Palanka bleibt. Dieser Geist hat keine eigene Welt, in der er sich vollkommen materialisieren könnte, und welche seine ideale Verkörperung wäre. Wie sehr er auch versucht, die Welt der Palanka, in der er geboren ist, als seine Welt darzustellen, und wie sehr ihm diese Welt am nächsten wäre, ist er ein herumirrender Geist, ein unmöglicher Geist: Es gibt kein Land, in dem er nicht möglich wäre, weil er überall gleichmäßig unmöglich ist, unmöglich in seiner Forderung nach dem Ideal-Geschlossenen, welches außerzeitlich, und alleine damit ein Nichts der Ewigkeit wäre.


Aber genau deswegen, weil er keine eigene Welt hat, ist er ein Geist: Dort, wo die Möglichkeit der Welt aufhört, beginnt die Möglichkeit dieses Geistes. Durch seine Unmöglichkeit in diese ständige Möglichkeit des Geistes verwandelt, zeigt er sich als Urheber jeder Bestrebung nach der Verschließung in die eigene Welt, sowie jeder Bestrebung nach der Umgestaltung der Welt in die Welt der Palanka. In seiner Empfindung befindet sich die Welt auf der anderen Seite des Berges, und nicht in seiner Welt, in der Welt der Palanka, die in diesem Sinne Nicht-Welt ist. In seiner Empfindung charakterisiert alles, was die Nicht-Welt (bis auf das eigentliche Nichts, bis auf das eigentliche Nicht-Sein) kennzeichnet, auch die Palanka. Eine mögliche Haltung des Palankaners ist die Haltung der Gewährung oder Rebellion, die Haltung eines bewussten Konservativismus, der auf der Kritik der „Welt“ beruht, auf der Empfindung der eigenen Ursprünglichkeit (so wie ich jetzt bin, so war früher die Welt, ich bin daher die Vergangenheit der Welt, ihre lebendige Geschichte; ich bin dort, wo einmal die Welt war, ich bin geblieben, die Welt hat sich von ihrem anfänglichen Schicksal entzweit, sie ist abtrünnig geworden; die Welt ist also abtrünnig, und nicht ich), oder die Haltung der Verzweiflung, welche von der Einschließung in die Welt, und zwar durch die Verneinung der Palanka, träumt. Der Geist der Palanka zeigt sich in beiden Formen, und triumphiert in beiden Formen. Er muss in jeder Hinsicht als ein tätiger Geist aufgefasst werden. Sogar im ersten Falle, wenn die konservative Haltung unzweifelhaft ist, ist dieser Geist tätig: Er ist nur passiv tätig, er versucht auf seine palankanische Art und Weise, der Aktivität die Passivität entgegenzusetzen, in dem Sinne, dass er versucht, das, was ist, dem entgegenzuhalten, was sich im Werden befindet. Das, was eben deshalb palankanisch ist, weil es der Anfang ist, der sich von sich selbst nicht getrennt hat, der nicht evolviert hat, lässt keine Aktivität zu, um durch sie nicht sich selbst preisgegeben, um nicht verwandelt zu werden. Es darf keine Verwandlung geben, es darf also keine Arbeit geben, notwendig ist die Passivität, man muss sich dem, was ist, überlassen. Aber diese Überlassung ist ebenfalls eine einzigartige Tätigkeit, eine negative Tätigkeit. Die Passivität ist ebenfalls ein Willensakt, und ihre Sprache (durch Untätigkeit, durch Willenlosigkeit) ist ebenso die Sprache der willentlichen Entscheidung. Diese Tatsache verliert man meistens aus dem Auge, da es der in einer geschlossenen Welt geborene Palankaner nicht zulässt, sich als Subjekt dieser Welt zu sehen, sondern nur als ihr Objekt. Woher das?


Würde der Palankaner sich selbst als Subjekt anerkennen, wäre die Palanka als Wille gefährdet: Dort, wo ich Subjekt bin, kann die Welt nicht Subjekt sein. Der Palankaner ist nämlich der Palanka treuer als sich selbst, zumindest nach seiner eigenen grundlegenden Entscheidung. Er ist kein Einzelgänger auf seinem persönlichen Wege, er ist das summum einer Erfahrung, eine Haltung und ein Stil. Was er hütet, wenn er die Palanka hütet, ist diese Haltung und dieser Stil. Das Palankanertum ist eine triebartig-defensive Pflege des palankanischen Stils als allgemeinen Stil. Der Palankaner hat ein außerordentlich starkes Stilgefühl, da er ein außerordentlich starkes Gefühl für Kollektivität hat, die in diesem Stil eingefroren (oder verkörpert) ist. Die große „Welt“ ist eine Welt, die durch die Vielfalt der Möglichkeiten (der Stile) diese Einzigartigkeit des Stils, seine Ein-Förmigkeit zerstört. Der palankanische Geist ist ein Geist der Ein-Förmigkeit, und vor allem ein Geist der vorgefertigten Lösung, des Musters, einer sehr bestimmten Form. Wenn ein palankanisches Einzelwesen die Palanka als den höchsten Willen, als sein Über-Ich hütet, hütet es vor allem diesen Stil der Ein-Förmigkeit, und deswegen, wenn es sich vor der Welt, vor dem Heraustreten in die Welt fürchtet, fürchtet es sich eigentlich vor dem Heraustreten in eine Welt ohne Stil. Die allermeiste Anschuldigung, die dem Palankaner ins Gesicht geworfen wird, nämlich, dass er ein Mensch ohne Stil sei, ist mit dem Geiste der Palanka vollkommen unverträglich, welcher der Geist des kollektiven Willens ist, der Ein-Förmigkeit, durch die sich dieser Wille und somit auch der eigentliche Geist des Stils manifestiert.


Dieser Stildienst führt bis zur Vergöttlichung des Stils. Der Stil ist alles, der Mensch viel weniger. In der Welt der Palanka ist es wichtiger, sich an die eingefahrenen Sitten zu halten als Persönlichkeit zu sein. Alles, was vorwiegend persönlich, individuell ist (egal in welcher Richtung), ist vor allem deshalb unerwünscht, weil es das Versprechen der „Welt“ als reine Verneinung der Palanka ist, d.h. das Versprechen der stilistischen Polivalenz, und diese Polivalenz ist für den palankanischen Geist eine reine Verkörperung der Kakophonie, die Musik der Hölle selbst.


Dieser Stildienst ist grundsätzlich ein Dienst der Sicherheit. Losgesagt vom eigenen Willen, stilisiert nach dem Muster des kollektiven Willens, ist der Palankaner gut aufgehoben in der Sicherheit des Allgemeinen. Er hat einen Eindruck der verlängerten Kindheit, oder einen Eindruck des verlängerten Lebens unter der Obhut der Familie. Der Infantilismus ist dem palankanischen Geist gegenüber korrelativ. Man kann nicht im palankanischen Geiste sein, ohne zugleich auch im Infantilismus zu sein: Der palankanische Geist als der Geist des Über-Ichs, als der Geist des kollektiven Willens, der uns in Schutz genommen hat, der uns vor allem hütet, vor allem vor uns selbst, vor allen Herausforderungen und Versuchungen, die Ich heißen (persönliche Verantwortung und persönliche Regsamkeit), ist unumgänglich der Geist, der in den Infantilismus einweiht. Er verlangt, erzwingt diesen Infantilismus, als ein schützender Geist, als Geist, der allem Individuellen übergeordnet ist. Die Ein-Förmigkeit des Stils bedeutet, zweifellos, auch eine gewisse gegen-zeitliche Haltung. Wenn ein ein-förmiger Stil möglich ist, und zwar als das Werk aller, ist er nicht nur im Raum möglich. Er verlangt auch seine Wichtigkeit als seine Ausbreitung in der Zeit. Der Stil gestattet keine Toten. Er ist über-sterblich, weil er über-grenzlich ist. So wie er überall gelten muss (so wie er überall durchdringen muss), so muss er auch immer gelten. Der Geist des Traditionalismus ist einer der grundlegendsten Ausprägungen des palankanischen Geistes. Im Geiste der Palanka zu sein, bedeutet in ihrem, konkret-stilistisch verkörperten Willen zu sein, aber so, dass sich in diesem Stil die Vergangenheit der Palanka wiederholen wird. Das starke Gefühl für Geschichte, ein bestimmter Geist der Geschichtlichkeit, welche oft als essentielle Merkmale des palankanischen Geistes wahrgenommen werden, sind im Wesentlichen das Werk des außer-geschichtlichen, und nicht nur des nicht-geschichtlichen (oder nur des gegen-geschichtlichen) Geistes. Die Neugier nach dem, was war, zeigt sich hier unter der Maske der Geschichte, oder der Geschichtlichkeit. Eigentlich ist es nicht schwer, in ihr das Gegen-Historische der Palanka zu erkennen, das sich hier aus zwei Bestandteilen zusammensetzt:

1) aus der Neugier, durch welche die Palanka ihren Wunsch nach Ein-Förmigkeit, nach dem allumfassenden Eindringen, nach der Absorbierung des Ganzen, deutlich werden lässt, und dies durch das Zerstören dessen, was ihr unbekannt wäre, was für sie ein „Geheimnis“, und außerhalb ihrer Sicht- und Hörweite bliebe, außerhalb ihrer Handlungsmöglichkeiten als Möglichkeiten einer „Antwort“ auf den Inhalt des Geschehenen, und

2) hier ist es nicht schwierig, das Gegen-Historische auch in palankanischem Streben nach der zeitlichen Wirkung des vortrefflichen, durch die Praxis vergöttlichten Stils zu entdecken. Man soll überall mit dem Blick eindringen, so dass man mit der Gegen-Wirkung des palankanischen Geistes, mit seiner Deutungsweise, die immer eine Stildeutung ist, alles „aneinander binden“ könnte. Die Palanka mag das Unbekannte, prinzipiell, nicht; das ist eines ihrer fundamentalen Merkmale, durch welche sich ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre geistige Welt auszeichnen. Das Unbekannte stößt sie nicht nur in ihrer Jetztzeit, sondern auch in der Zeit überhaupt ab. Sie mag es nicht in der Vergangenheit, genauso wenig wie in der Zukunft. Der Dauer treu, indem sie das Schicksal der Palanka annimmt (was sie aus eigenem Willen tun möchte), dieser von der Welt „verlassenen“, aufgegebenen Palanka, sucht sie die Dauer überall, so auch unumgänglicherweise in ihrem eigenen Stil. Sie muss sich selbst stilistisch vereinheitlichen, sowohl in der Zeit als auch im Raum, wie in der Vergangenheit und Gegenwart, so auch in der Zukunft. Der konservative Geist der Palanka, als ein zur Dauer verurteilter Geist, der diese Verurteilung als seinen Willen ausrufen will, der diese Bestimmung der Geschichte als eine Sache seiner eigenen Wahl zu verlautbaren versucht, und dies in einem dunklen Versuch, der nicht nur die Aussöhnung mit dem Schicksal, sondern auch seine Vergöttlichung heißt, d.h. nicht nur auf der Ebene, die dieses Schicksal als vertragliches erleuchten, sondern die ihm die Bedeutung von dem einzig möglichen Schicksal geben würde; dieser konservative Geist also ist, dank der Dauer, welcher er in erster Linie treu ist, ein Geist, der sich der Zeit widersetzt, der die Zukunft mit seiner Treue zum Bestehenden „aufwartet“, der aber ebenso die Vergangenheit mit seiner Treue zum Bestehenden „aufwartet“, zum Bestehenden, welches er mit unvergleichbarer Hartnäckigkeit immer wieder gerade in der Vergangenheit aufspüren will. Die Vergangenheit ist nicht das, was die Gegenwart nicht ist, eine Art Vor-Gegenwart, oder eine Art Nicht-Gegenwart.

 

Die Vergangenheit ist im wenigsten Sinne eine Verheißung der Gegenwart, viel mehr ist sie ihre Bestätigung. Der Palankaner geht für die Zufriedenstellung seines Bedürfnisses überallhin, in seine Nachbarschaft, aber auch in die Zeit; er will die Vergangenheit als seine Bestätigung, und deswegen will er sie aber auch nicht. Er ist anti-historisch auf der Ebene der Empfindung von Allzeitlichkeit seines eigenen Stils, auf der Ebene der Anforderung, dass er, verschlossen in einer verschlossenen Welt, diese Verschlossenheit als seinen Vorteil und, noch einmal, als seine eigene Wahl, und nicht als Sache fremder Verurteilung, akzeptiert. Er ist nicht bestraft, obwohl er durch dieses Urteil doch bestraft ist, in einer geschlossenen Welt zu leben, welche stehen geblieben ist (und die nur so lange geschlossen bleiben kann, solange sie stehen bleibt) und welche sich außerhalb der Zeit eingefunden hat. Bestraft sind andere, die diese Welt verlassen haben und die deswegen in der Hölle der stilistischen Polyphonie, im „Chaos“, welches in den Trümmern der Ein-Förmigkeit des palankanischen allmächtigen Stils entstand, nun die schlimmsten Gräuel, welche ein „irrender Sohn“ überhaupt erleben kann, erleben.