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Bulle, Bube, Dame, Trottel - ein kroatischer Krimi

Rezension von Elena Messner

Was macht einen kroatischen Krimi aus? Edo Popović versucht in Die Spieler seine Antwort darauf zu geben. Der kroatische Krimi sei eine – so der Erzähler im zweiten Teil des Buches, Die Tänzerin aus der Blue Bar:

 

Spezielle Gattung: hundertprozentig sauber und hundertprozentig kroatisch, ohne diese idiotischen Komplikationen und Unklarheiten, die das Gehirn des kroatischen Bürgers nur belasten würden – als hätte das kroatische Gehirn nichts Klügeres zu tun, als sich mit der Frage zu beschäftigten, wer wen abgemurkst hat und warum.


Der Band versammelt drei im Kroatischen seit 2004 einzeln erschienen „Kriminalgeschichten“, wenn man sie denn so nennen mag. Dass sie dem deutschsprachigen Publikum gesammelt dargeboten werden, hat gut nachvollziehbare Gründe: thematisch, formal und figural sind sie deutlich verschränkt und also durchaus als Fortsetzungen, als Zyklus, sogar als Roman lesbar. Bereits die beiden anderen bei Voland & Quist erschienen Romane (Kalda 2008 und Ausfahrt Zagreb Süd 2006) widmeten sich den auch in diesen drei Geschichten wiederkehrenden Themen: Korruption, mafiöse Strukturen in der kroatischen Gesellschaft und Politik, Prostitution, Gewalt, Alkohol. Auch diesmal siedelt Popović seine Figuren auf dem harten Pflaster in Zagreb an, inszeniert die Hauptstadt Kroatiens als aufregende „Metropole“ und als von Kriminalität, Nationalismus, Gewalt und Sex dominierten Sündenpfuhl. Nur ist diesmal das Milieu noch krimineller, die Figuren sind noch kaputter, die Gewalt ist roher und die Liebe käuflicher. Die Übersetzerin (Alida Bremer) wird ihren Heidenspaß und ihre Mühe an dem Text gehabt haben.


Im Kapitel Ach, die Metropole, die Metropole… und die hungrige Meute dazu, heißt es, die Menschen besäßen einen unstillbaren Sensationshunger und die Zeitungen seien nur dazu da, diesen zu stillen und den Menschen Tragödien zu servieren. Popovićs Text ist einerseits genau dies: ein gefundenes Fressen für nach menschlichen Tragödien hungernden LeserInnen, andererseits (zum Glück, wie man anmerken möchte) aber auch eine  sarkastische Abrechnung mit eben diesem Voyeurismus.


Die Figur des Mladen Folo ist dabei von zentraler Bedeutung. Dieser Mladen Folo genoss eine literaturwissenschaftliche Ausbildung, wurde aber durch einen Fehler in der Bürokratie nicht an den ihm in Aussicht gestellten Platz im „Kulturministerium“ versetzt, sondern in die Abteilung für „Kulturterrorismus“. Nach dem 11. September wird er, so erzählt es der erste Teil des Buches, als Leiter dieser Polizeiabteilung damit beauftragt, einen unschuldigen Schriftsteller als potenziellen Attentäter anzuschwärzen, um durch die vermeintliche Entlarvung Kroatiens Reputation im internationalen Anti-Terror-Kampf zu stärken. Die Geschichte gerät außer Kontrolle, Menschen sterben, der Schriftsteller Boris erhält einen Preis für sein Schaffen. Folo dagegen schlittert in die nächste Geschichte (schon sind wir im zweiten Teil von Die Spieler), klärt nahezu unbeabsichtigt den Mord an einer ukrainischen Prostituierten auf, verliebt sich in deren Freundin Žana und möchte diese aus ihrer misslichen Lage befreien.  Wie er sich nach allerlei Komplikationen aus alledem wieder herauszuwinden vermag und wie schließlich nach vielem Hin und Her auch der dritte Teil des  Buches seinen Abschluss findet, soll hier nicht erzählt werden.


Die Unterkapitel der drei im Buch versammelten Erzählungen sind bemerkenswert kurz, oft nur drei Seiten lang, dafür sehr zahlreich. Das Formulieren von Überschriften zu diesen Kapiteln scheint dem Autor ein großes Vergnügen bereitet zu haben und dürfte um nichts weniger wohl die meisten Leser amüsieren. Hier seien nur ein paar der insgesamt fünfzig zitiert: Von Menschen in Krokodilen und Haien und davon, was ein Zweizentnermann unter seiner italienischen Hose trägt, oder Ende, wenn es so etwas überhaupt gibt; Von einer dreifarbigen Schärpe und Titten, die dreizehn Jahrhunderte und ein paar Zerquetschte alt sind, Tod auf der Toilette, … und das war’s.


Die Handlung wird nicht chronologisch erzählt, lange Dialogpassagen und auch in die Handlung montierte „Fremdtexte“, die den Erzählfluss stören, werden eingefügt. So zieht sich etwa eine Rede in Gedichtform nahezu über ein ganzes Kapitel hinweg oder werden Zitate aus der sog. „Popkultur“ eingefügt, etwa Verweise auf Charles Bukowski, Jim Jarmusch oder Tom Waits; an anderer Stelle findet sich die in die Handlung montierte Auflistung von Schlagzeilen aus der Regenbogenpresse. Diese Passagen wechseln sich mit zynischen bis poetischen Betrachtungen der variierenden Ich-Erzähler ab. Ein auktorialer Erzähler vermittelt der/dem LeserIn die Innenperspektiven der Figuren und Hintergrundinfos, diese werden zwischendurch auch mal direkt angesprochen. Der dritte Teil wird nahezu ausschließlich aus der changierenden Perspektiven dreier Figuren erzählt. Es überrascht nicht, dass diese Figuren einem einschlägigem Milieu entstammen, das aus Krimis bekannte Personal ist in Überfülle vorzufinden – korrupte Bullen und Politiker, Geheimdienstler, Kriegsgewinnler, Schlägertrupps, ehemalige Militärs, die nun zu Gangsterbossen aufgestiegen sind, karrieregeile Journalisten, brutale Zuhälter, Prostituierte, Kleindealer, Spieler, etc. Ebenso wenig überrascht es, wenn plötzlich in typischer Popović-Manier doch hier und da Figuren  aus einer anderen Welt, der sog. „literarischen“, auftauchen: ein (Möchtegern-)Schriftsteller (und Schläger), der bereits erwähnte Mladen Folo als Literaturdozent (und beamteter Polizist in der Abteilung für Kulturterrorismus) oder eine Literaturwissenschaftlerin, die sich – aus der Ukraine nach Kroatien geflüchtet – als Prostituierte und Bartänzerin ihren Lebensunterhalt verdient. Zahlreiche selbstreflexive Stellen im Roman wälzen literarische Fragen, verweisen auf den Literaturbetrieb, thematisieren das Schreiben und Lesen oder eben schlicht den Krimi selbst. So zum Beispiel, wenn einer der Ich-Erzähler meckert:


Was war das denn nun wieder, was für Gedanken überkamen mich da? Literatur, reinste, beschissene L-i-t-e-r-a-t-u-r. Vielleicht sollte ich mich als Schriftsteller versuchen und nicht als Detektiv. Warum nicht? Wer schrieb heutzutage nicht alles... (227).


Oder wenn es heißt:


In einem Krimi, aber auch in anderen literarischen Gattungen, müssen alle Löcher gestopft, alle unlogischen Stellen getilgt werden, sonst ist man als Autor erledigt. Wenn die Leser begreifen, dass man herumtrickst und betrügt, ist es vorbei. Mit Literatur ist nicht zu spaßen. (268).


Spätestens wenn die Figuren sich (im dritten Teil des Romans, etwa im Kapitel mit dem Titel Der Mörder auf der Erbse) darüber unterhalten, ihr Leben in einen Roman zu verpacken, und dies auf den letzten Seiten des Buches auch tatsächlich passiert, liegt der Verdacht nahe, dass Popović das Genre des Krimis bestenfalls parodiert, wenn nicht als Schablone heranzieht, um über etwas anderes zu schreiben. Denn Popovićs Geschichten verbinden sich eher zu einem Anti-Krimi, einer gesellschaftskritischen Analyse der korrupten kroatischen Nachkriegsgesellschaft, die immer wieder durch humorvolle Erzählweise und Satire gebrochen wird, sowie Spannungsbögen und Handlungsverläufe, die sich dem Genre des Thrillers annähern. Die Spieler ist eine verquere, streckenweise allzu gewollt lustige und sich im knallharten Ton auch mal vergreifende, aber nichtsdestotrotz treffende literarische Studie des gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Zustandes Kroatiens, wie sie auch in den beiden anderen auf Deutsch erschienen Romanen von Edo Popović auf noch gelungenere Weise zu finden sind.


Rezension von Edo Popović: Die Spieler. Dresden: Voland & Quist 2009. Aus dem Kroatischen von Alida Bremer.


Elena Messner, Wien im August 2009