einverständniserklärungen
Das ist ganz normal: als Schriftsteller will man über Literatur reden.
Das ist ganz normal: als Literaturwissenschaftlerinnen wollen wir über Literatur reden.
Deshalb nur haben wir beschlossen, Dragan Velikić zu besuchen, haben uns auf die Suche nach der serbischen Botschaft begeben, und begeben uns nun, ihm gegenüber sitzend, auf die Suche nach unserem Gegenstand, der Literatur – gesprächsweise, unter verschiedenen Vorzeichen.
Erstes Vorzeichen
Das russische Fenster aus dem Serbischen von Bärbel Schulte, erschienen 2008 bei dtv; teilweise in Wien geschrieben.
Als Botschafter [der Republik Serbien] habe ich den Text beendet. Achtzig Prozent dieses Textes sind früher geschrieben worden. In meinem ersten Dienstjahr hatte ich nicht genug Zeit und ich hatte keine Idee, etwas zu schreiben. Aber nach einem Jahr bin ich zurück zu meinem Manuskript gekommen und dann habe ich ganz ohne Eile diesen Roman beendet. Das habe ich hier in Wien gemacht, ja. Aber es geht nicht um Wien...
Zweites Vorzeichen
Wien; Stadt, in der das Gespräch stattfindet, auf Deutsch, in der serbischen Botschaft: Rennweg 3, im dritten Bezirk; ein Koordinatensystem literarischer, sprachlicher, cinematographischer, geographischer Anknüpfungspunkte, die im Zuge des Gespräches zutage treten: österreichische Literatur, die österreichische Übersetzungslandschaft, die einmal im Jahr veranstalteten Wiener „Serbische Filmtage“, und nicht zuletzt: topografische Spuren Wiens in Velikić ́Texten...
Lichter der Berührung, das ist ein Wiener Roman. Diesen Roman habe ich in Wien geschrieben, im Jahr 1994, als ich hier in Wien als Stipendiat war. Das ist eine Topographie von Wien und man kann dieser folgen: da ist diese Matrosengasse, in der Nähe vom ehemaligen Pannonia-Hotel, mit diesen Schienen. Bei Nummer 58 macht die Matrosengasse eine Kurve ... meine Helden sind, wie man sagt, umarmt von der Umgebung.
Es ist für mich sehr wichtig, diese Topographie genau zu beschreiben. Es handelt sich um zwei Geschichten im Exil: eine Anfang des 20. Jahrhunderts, James Joyce in Pula und Triest, und eine Ende des 20. Jahrhunderts, ein Zahnarzt aus Belgrad in Wien. Diese zwei Geschichten, sie kreuzen sich in der Person der ältesten Wienerin, Martha Coppeans, 106 Jahre alt. Der Roman beginnt mit ihrem Begräbnis. Und das ist eben ein Wiener Roman...
Drittes Vorzeichen
Jene möglichen, vorweggenommenen Anknüpfungspunkte, verwoben zu roten Fäden, die sich durch die Fragestellungen ziehen, die die Argumentations- und Diskussionslinien konstituieren, anhand derer Handlungsstränge und erzählte Lebensläufe abgewickelt werden... – sollen; Umgarnen unseres Gegenstandes, der Literatur – Fragen nach dem Schreiben, dem Schreiben von Ge/Schichten, nach Übergängen, nach Beweggründen, nach dem Lesen, nach Filmen; Nachfragen im Hinblick auf Übersetzungen, auf Autoren, auf Schreibweisen; wissen wir denn, was wir erfahren wollen, von Dragan Velikić? Gibt es Dinge von ihm persönlich zu erfahren, die uns seine Texte noch nicht mitgeteilt haben? Wir kommen zu ihm, ohne ausgearbeiteten Fragebogen, ohne Materialsammlung, ohne seine Muttersprache ausreichend für ein Interview zu beherrschen. Ja, auf Deutsch sprechen wir mit ihm – über seine Bücher, die wir auf Deutsch gelesen haben.
Severvni zid, zu Deutsch Nordwand, das ist der Originaltitel, aber Nordwand ist auch ein Nazisymbol: das war ein Sammelpunkt in Bayern für Nazis zu Hitlers Zeit und da hat mein Verleger gesagt, es sei nicht gut, Nordwand als Titel zu haben als serbischer Schriftsteller, weil man dann immer direkte Assoziation hat an diese Nordwand in Bayern. Und so haben wir einen anderen Titel gewählt, Lichter der Berührung... das ist eben ein Wiener Roman, total anders als Das russische Fenster. Ich möchte immer versuchen, eine andere Perspektive zu finden. Das ist am wichtigsten: nicht die gleiche zu produzieren. Das wäre langweilig, denke ich.
gesprächsweise
exposition... über das Schreiben
Morgens, je früher desto besser. Aber natürlich muss ich ausgeschlafen sein. Wenn man um zehn schlafen geht, bis elf liest, dann kann man um sechs Uhr ganz frisch sein. Das ist am besten. Ganz selten schreibe ich im Kopf... ich habe niemals im Voraus schon die Geschichte, das ist langweilig. Ich möchte mich wie ein Leser amüsieren. Ich habe nur diese Bilder, ein paar sehr, sehr tiefe provokante Bilder, die produzieren Obsessionen, dann fange ich an... dann schreibe ich. Und nur bis zu zwei Stunden pro Tag, weil das ist gefährlich, fleißig zu sein und zu schreiben – wirklich. Klar, das ist auch ein Alibi, wie man sagt, für meine Faulheit, aber – nein, ich lese mehr. Und ein richtiges Buch zu lesen...
Es gibt viele, ziemlich erfolgreiche Autoren, die hatten nur Lust zu schreiben und das ist nie genug. Man braucht noch etwas. Und das ist ganz angenehm: im Café zu sitzen, und über etwas zu schreiben, und das ergibt, meiner Meinung nach, eine Literatur ohne ein richtiges Ereignis. Wenn ein Schriftsteller ein Kapitel braucht, um seinen Held vom Vorzimmer auf die Terrasse zu tragen, das ist zu viel – so etwa: sie hat eine gelbe Weste und dann zieht sie diese gelbe Weste aus und sie geht zum Fenster... oh, was ist das?! Das kann ich nicht verstehen...
Velikić schreibe „verquer“: Er sei „ein Querdichter, geboren aus dem Zusammenstoß von geographisch-geschichtlichem und dem entsprechenden Splitter-Ich, das zugleich doch nicht weniger Ich! ist; dieses bleibt die Substanz des Buches oder der Untersatz, welcher die Splitterdinge und –passagen zusammenhält,“ meint das Peter Handke-Ich einer „winterlichen Reise“ über Dragan Velikić.
In allen meinen Romanen versuche ich immer, etwas, das hinter Vorhängen versteckt ist, zu entdecken. Das bereitet mir Lust zu schreiben, das zu entdecken.
Schreibend entdecken. Auch das Schreiben. Schreiben über Schreiben. Schreibend über Schreiben. Schreibend Überschreiben. Die Knoten-Palimpseste des Dichters Nikola Gavrić in Der Zeichner des Meridian, übersetzt von Bärbel Schulte und erschienen 1994 im Wieser Verlag – Schichtungen der Knotenpunkte eines Lebens, des in einem Tagebuch verzeichneten Lebens des Vaters; Ablagerungen aus anderen Zeiten, anderen Räumen, anderen Leben: geschichtet; Imaginäres, Reales, Symbolisches: verknotet.
Ich war immer sehr vorsichtig bei diesem Schreiben über das Schreiben, diese alexandrinischen Themen sind immer gefährlich. Einen Schriftsteller als Helden zu haben, ist ein Vorteil, aber auch ein Nachteil. Nabokov z.B. hat ca. 70 % seiner Helden mit Schriftstellern besetzt, aber trotzdem haben wir lebendige Charaktere. Es ist sehr gefährlich wegen des Syndroms „overwriting“, das ist schlecht. Deswegen wähle ich für meine Protagonisten oft ganz andere Professionen, dann versuche ich immer durch diese Menschen, z.B. durch Straßenbahnfahrer oder Klavierstimmer, usw., durch diese Menschen also ein Leben zu sehen.
durchführung
Das russische Fenster gelesen, besprochen...
... als Abtragen von Schichten
Rudi Stupar macht sich auf den Weg, nicht ‚nur’ durch sein Leben, sondern auch durch das Leben anderer, um immer wieder jenen Spalt zu finden, durch den er einem früheren, einem möglichen, vielleicht auch einem versäumten Selbst zuzwinkern kann. Auf diesem Weg erfährt Rudi sich mehr und mehr als Schriftsteller, dem das Schreiben erlaubt, „in anderen zu vibrieren“, als Archäologe die verschiedenen Schichten, Geschichten ab- und wieder neu aufzutragen – diese Leben, die Rudi Stupar teilweise auch aufzeichnet auf Tonbandgeräten, und seine Leben begrenzen sich, unscharf, und gehen ineinander über.
... als Übersetzen verschiedener Lebensentwürfe
Ich denke, dass es meine Idee war, dem Hauptprotagonisten Rudi den Held vom ersten Teil, Daniel, gegenüberzustellen. Der größte Unterschied zwischen den beiden ist, dass sich Daniel im Gefängnis seines mediokren Lebens, eines kleinbürgerlichen Lebens befindet, während Rudi versucht, eine Qualität in seinem Leben zu erreichen, obwohl seine Umgebung auch kleinbürgerlich ist. Er hat einen Ausbruch, eine Flucht durch die Kunst gefunden, durch Kreativität. Er ist kreativer, weil Daniel, ein Mann, der im Passiven verweilt, wirklich eine Geisel seines kleinbürgerlichen Lebens ist. Der ganze Roman ist ein Versuch, durch Kunst zu leben.
... als erzählter Übergang von Zeit zu Zeit, von Raum zu Raum, von Generation zu Generation Man sagt, dass die erste Hälfte unseres Lebens unsere Eltern zerstört, die zweite unsere Kinder. Die Grenzen einzelner Lebens-Geschichten werden von den unmittelbaren Vorfahren, den Eltern, gezogen bzw. nachgezogen: in Das russische Fenster sind es die Imperial-Schreibmaschine, auf welcher sich das Leben eines Provinzjournalisten abklopft, sowie die Singer-Nähmaschine, welche die Ränder jener Kostüme säumt, die auf der Bühne einer Kleinstadt zum Tragen kommen. Rudi nimmt die Geschichten seiner Eltern, die sich zwischen den Lettern der Schreibmaschine, in der Steppnaht der Nähmaschine verfangen, vorweg und möchte von ihnen aus über sie hinausgehen. Andererseits kommt er immer wieder zurück auf sie, wenn er seine unterschiedlichen Perspektiven auf sein Leben entwickelt.
Da steht ein kompletter Satz in unserer Erinnerung. Obwohl der Satz banal ist, etwa: es regnet, haben wir ein Bild: Mutter am Balkon, es regnet. Warum. Das ist keine besondere Szene – wenn ein Fenster zerbricht, ok, das ist eine Überraschung. Da ist wahrscheinlich etwas, das uns berührte, etwas daneben – wahrscheinlich ein paar Minuten davor oder später – etwas, das sehr spannend war, das uns unterbrach und das für uns nicht zu verstehen war. Dann ist dieser banale Satz etwas wie eine Chiffre für diese Situation.
Das ist der Grund, warum wir Geiseln unserer Umgebung sind. Meine Idee war, diese Welt wie eine Linie von Vater und Mutter vorzustellen. Diese Schreibmaschinen bilden auch einen Rhythmus. Das sind zwei verschiedene Welten, zwei Seelen, und sie kreuzen sich in Rudi. Ich finde Rudi eine ideale Figur, denn er ist sich der Komplexe seiner Eltern bewusst, obwohl er in einer kleinbürgerlichen Umgebung aufgewachsen ist. Aber ich denke, dass wir durch Bildung und persönliche Erfahrungen einen Ausweg finden aus dieser kleinbürgerlichen Welt, deshalb mag ich Thomas Bernhard sehr.
namentlich ... über das Lesen
Auch er – ja, zugegeben, es erstaunt uns ein wenig – liest auf Deutsch, spricht nun auf Deutsch über deutschsprachige Texte mit uns. Er spricht, gefragt und ungefragt von Thomas Bernhard
Jetzt hab ich mir Alte Meister gekauft, das ist Musik, Rondo. Ja, er sagt, Burgenland sei so schön, die Häuser usw., aber in Wahrheit sei Burgenland eine idiotische Provinz. Er spricht über Linz – das ist unglaublich: eine Stadt mit Oper aber ohne Ensemble, ein Theater ohne Schauspieler, ein Atelier ohne Maler. Das ist fantastisch! Er ist wirklich ein Gesicht Österreichs. Natürlich, wenn jemand etwas kritisiert, dann liebt er es. Wenn jemand gleichgültig gegenüber etwas ist, ... aber ich verstehe, warum ganz Österreich böse auf ihn war. Heldenplatz aber ist ein Meisterwerk, und auch andere Sachen. [...]
Wenn ich zwei Ich habe, zum Beispiel in Alte Meister: da ist dieser Bank-Mann [Reger], er hat zwei, weil er spricht in Ich-Form statt [in der dritten Person], das ist, wie man sagt, ein Rondo. Ja, ich finde ihn großartig, wirklich, er ist ein Schriftsteller.
… von Joseph Roth
Alle deutschsprachigen Schriftsteller lese ich auf Deutsch. Joseph Roth ist mein Lieblingsautor, mein österreichischer Lieblingsautor. Das erste Buch war Hotel Savoy. Ich habe diesen Roman vor vier Jahren gelesen, für Bernhard braucht man Konzentration, aber wenn man drin ist, dann geht’s. Ich mag ihn wirklich, aber Joseph Roth ist meine Blutgruppe in der österreichischen Literatur.
… von Robert Musil
Er spielt seine Rollen in Velikićs Text Zeichner des Meridian, er spielt explizit, implizit – spielt als ein Autorenname mit, spielt mit der Erweiterung des Möglichkeitssinns, verliert spielend den Heimweg unter den gegen eine perspektivische Verkürzung des Verstandes angehenden Füßen, abgehoben, doch nicht zu sehr, zeichnen sich seine Spuren ab, er spielt...
Wir haben zwei wunderbare Übersetzungen, eine kroatische, von vor 50 Jahren. Dieser Mann hat sehr gut übersetzt. Aber wir haben auch eine zweite Übersetzung von Branimir Živojinović, er ist voriges Jahr gestorben. Seine serbische Übersetzung, das ist wirklich ein Meisterwerk. Hermann Broch, Musil, Schnitzler hab ich als Student auf Serbisch gelesen, aber wenn ich jetzt was lese, dann auf Deutsch.
satzweise ... Übersetzungen
Der serbische Text, in unseren Ohren ist er dominiert von deutschen Klangfarben. Unsere Lektüre der Texte Velikić’ auf Deutsch, in Übersetzung.
Ako se dobro organizuješ, sve ti je usput.
Wenn du es gut organisierst, wird dir alles gelingen.
Es bestünde ein Übersetzungsproblem, vor allem bei einem Satz, meint Dragan Velikić. Die Ironie des Originals sei verloren gegangen, bei der Übersetzung, die sich damit begnügt hätte, die Bewegung, das Unterwegs-Sein zu einem Gelingen gerinnen zu lassen. Der ironische Widerspruch zwischen dem Versuch, alles zu organisieren, alles in Ordnung zu bringen, und der Bewegung, in die alles gerät, mit der alles aus den Händen zu gleiten beginnt bei eben diesem Versuch, alles im Griff zu haben, sei aufgehoben, reduziert worden. In der Generalamnesie, mit welcher der deutsche Satz eine Lebensgeschichte auf einem Allgemeinplatz stranden lässt, scheint der rote Faden, der das Leben Danijels umsäumt, zu verblassen, die Geschichten Danijels, die er in seinen Monologen aufrollt, ihre Konturen zu verlieren.
Scheint... denn diese Ironie klingt auch an zwischen den Zeilen der deutschen Sätze. Das beruhigt den Übersetzten.
ein Ort, wo ich meine Koordinaten habe
Ich denke, das ist ein Vorteil in der Literatur, dass man durch seine Helden seine Potentiale leben lässt und diese entdeckt, weil, das ist für mich ganz logisch, man kann nur ein eigenes Leben leben. Aber Gajto Gazdanov, mein russischer Lieblingsautor – Generation Nabokov, nicht ins Deutsche übersetzt, keine Ahnung warum, ein großartiger Schriftsteller – hat einen Satz gesagt, den ich sehr mag: dass ein jeder von uns zwei verschiedene Leben lebt – ein Leben, das er führt, und ein Leben, das er versucht, in seinen Träumen zu erreichen.
Und Literatur ist eine Brücke zwischen diesen beiden, das ist meine Meinung. Zwischen diesen zwei parallelen Gleisen. Diese Erfahrung haben wir jeden Tag: aha, ich komme dort hin und ich habe im Voraus ein Bild davon, was passiert, was passieren wird und was nicht. Und natürlich ist man enttäuscht oder nicht, aber das ist immer parallel. Und ich denke, dass ist die Kunst der Literatur: diese parallelen Möglichkeiten zu überbrücken. Für mich als Leser ist Literatur auch ein Anker, wie man sagt; ein Ort, wo ich meine Koordinaten habe.
In Velikić’ Essay Bücher – Schifffahrten, übersetzt von Alida Bremer und im Schreibheft 71 abgedruckt, ist von Kunst als einer Ergänzung der Wirklichkeit die Rede. Kunst, ein supplément, ein Zusatz, ein Schärfen des Möglichkeits- Sinnes, ein gefährlicher Sprung über die Mögliches von Unmöglichem scheidende Klinge.
Das ist kein Stereotyp, dass man durch Kunst versucht, etwas mehr zu verstehen und besser zu sein. Das ist wirklich. Ich frage mich sehr oft, ob man in einen Kopf kommen kann wie in ein Gebäude. Und dann sage ich, wie schaut der Kopf einer Person aus, die keine Lust hat auf Kunst, keine Bedürfnisse danach... Da finde ich immer diese Gebäude wie eine Garage: Beton und nichts anderes, ja.
kopfstücke ... Kino...
Vor kurzem zum Beispiel habe ich diesen Film Revanche gesehen, ein wirklich sehr, sehr gutes Werk. Das ist ein Krimi, aber ein Krimi allein ist für mich immer langweilig: ein Detektiv und – kein Leben. Der Detektiv ist immer in Topform. Das ist kein Leben. Und in diesem Film, das ist ein Krimi, aber da ist die lebendige Person. Diese Geschichte ist großartig: alle haben sich zurückgezogen in ihre kleinbürgerlichen Leben usw. und niemand ist verantwortlich, das Leben geht weiter. Das ist wirklich ausgezeichnet. Ein bisschen langsam, aber man braucht diesen Rhythmus, um zu zeigen, um etwas zu bilden, auch mit Worten. Ich finde diesen Film phantastisch, besser als Die Fälscher, aber der hat voriges Jahr den Auslands-Oscar gewonnen. Die Fälscher, das ist auch ein sehr guter Film, aber Revanche... da stimmt alles, phantastisch. Ein Bild ist wie ein Kunstwerk.
Der serbische Film. Die jährlich veranstalteten Serbischen Filmtage in Wien: eröffnet durch den amtierenden Botschafter.
Ja, ich habe alle diese Filme gesehen und Turneja (Die Tournee) war ein sehr guter Film, das war unser Vorschlag für den Oscar. Über den bosnischen Krieg. Obwohl meine Bemerkung ist, dass dieser Film keine Veränderungen zeigt: diese Leute sind durch dieses Ereignis geprägt, man sieht keine Wende in diesen Leuten. Sie sind gleich von Anfang an: sie sind müde von diesem Krieg usw. Für ein Meisterwerk aber braucht man mehr – wie eben in Revanche.
Ein Meisterwerk des serbischen Films. Oh ja, das gibt es. Zum Beispiel von Aleksandar Saša Petrović, er ist gestorben vor einigen Jahren [1994] – sein Il Maestro e Margherita, das ist ein Film basierend auf einem Text von Mikhail Bulgakov. Und auch Skupljači perja [Happy Gypsies / I Even Met Happy Gypsies] ein Zigeunerthema. Ok, ja, [Emir] Kusturica: ich mag seine früheren Film, er ist ein großartiger Autor. [Dušan] Makavejev, das ist ein phantastischer Filmemacher, auch Živojin Pavlović. Vor zwei Jahren im Sommer sind jugoslawische Film in Wien, im zweiten Bezirk in dieser Remise in der Nähe vom Tabor gezeigt worden, organisiert gemeinsam mit Kulturkontakt ... oh – Kad budem mrtav i beo [When I am Dead and Gone], der ist von Pavlović, und auch Zaseda [The Ambush] – das sind phantastische Filme, aber zwanzig, dreißig Jahre alt. Das sind Meisterwerke, ja. Und Makavejev ist ein weltberühmter Regisseur, wie eben Živojin Pavlović und Saša Petrović auch, und Kusturica von den Jungen. Wir haben diese Filmindustrie und auch ziemlich gute Autoren.
Aber ich denke, dass diese Generation von Autoren – Pavlović, Makavejev – eine phantastische Generation war. Heute, finde ich, findet immer mehr Kommerzialisierung statt, aber das passiert überall. Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, dass ein paar Filme in der Presse fünf Sterne erhalten haben, und als ich hingegangen bin, war da nichts... Aber das Thema war wahrscheinlich aktuell. Ich habe nichts dagegen, aktuell zu sein – aber das ist kein Wert an sich, aktuell. Was ist aktuell? Ach ja, ich war total enttäuscht von diesem Film, Couscous mit Fisch – ein Meisterwerk, habe ich gelesen, aber das ist kein Meisterwerk meiner Meinung nach. Der ist interessant wahrscheinlich wegen dieser political correctness.
reprise... übers Schreiben
Weiterschreiben.
Anfang Februar war ich in Linz, im Stifter-Haus, ich hatte eine Lesung und dann haben wir dieses Museum [am Schlossberg] besucht, und die Ausstellung [Linz, Hauptstadt des Führers] – seitdem habe ich eine Obsession. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte eine direkte, unglaubliche Beziehung zu Ida Maly, einer Malerin aus Graz. Sie ist an Schizophrenie erkrankt und Anfang 1942 ist sie ermordet worden, Euthanasie, wie viele, viele Patienten in Asylen überall in Österreich. In dieser Ausstellung, dort waren, ich denke, fünf, sechs Skizzen und ein paar Bilder von Ida Maly, die waren unglaublich. Ich bin nicht zu Hause in der Malerei, aber das ist etwas...Und es gibt nichts über sie. Nur einen Katalog, und ich hoffe, dass ich den aus Graz bekomme. In fünf, sechs, sieben Jahren wahrscheinlich fange ich an mit einer Fiktion.
Das Gespräch wurde von Elena Messner und Eva Schörkhuber im März 2009 in
Wien geführt.